dot.coaching erklärt - Reinventing Leadership

Tobias Ellenberger
31. Juli 2018

Reinventing Leadership – Wieso muss Führung neu erfunden werden? Starre Strukturen im Denken und in der Organisation müssen aufgebrochen werden, damit wir gemeinsam fit für die Zukunft werden. Denn bilden wir uns nichts ein, wir sind weder kompetitiv noch innovativ genug für die Marktveränderungen, die auf uns zukommen.

Als Führungspersonen müssen wir die Veränderung treiben und mitgestalten. Nicht zuletzt, weil wir uns haben einlullen lassen von falschen Führern, die uns stets den selben Wein eingeschenkt haben. Uns träge gemacht haben und so unsere Veränderung blockieren. Mit den folgenden dreizehn Punkten möchte ich eine Anleitung zur Befreiung geben. Eine Anleitung, wie Führung neu erfunden werden kann.

1. Gemeinsame Vision schaffen vs. visionär führen

Gleich der erste Punkt ist eine echte Herausforderung. Als Führungsperson muss ich visionär sein. Ich muss das Vertrauen und die Idee haben, wohin die Reise gehen soll. Ich muss ein Verständnis davon haben, was der Nordstern sein könnte. Eine Führungsperson ohne Vision schadet einer Organisation mehr, als dass sie nützt.

Aber! Eine Vision zu haben, ist nicht damit gleichzusetzen, seine Vision durchsetzen zu wollen. Wahre Führungspersonen begeistern ihr Team mit ihrer Vision und befähigen das Team, auf der Basis der eigenen Vision eine gemeinsame Vision zu entwickeln.

2. Vertrauen ist wirklich besser

Früher hiess es:

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Dem widerspreche ich nicht. Es braucht eine gesunde Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle, oder letztendlich Freiraum und Kontrolle.

Die Krux liegt darin, wie diese Kontrolle gelebt wird und wer die Kontrolle durchführt. Volle Transparenz führt in einem System zu einer gelebten, systembedingten Kontrolle. Wenn jeder Einsicht in alle Prozesse und Zahlen hat, entsteht ein selbstregulierendes System. Kontrolle ist dann nicht die Aufgabe eines Einzelnen, was eine Hierarchie erzeugen würde, sondern von allen.

3. Recruiting ist Führung

Der erste und wichtigste Schritt von Führung ist Recruiting. Wer kocht, weiss genau, je schlechter die Zutaten, desto mehr Aufwand habe ich beim Kochen, die Mängel zu kaschieren. Bis hin zur Situation, wo ein eigentlich schönes Gericht durch schlechte Zutaten zerstört wird.

Ähnlich ist es beim Recruiting. Wir müssen dafür sorgen, dass nur Menschen mit ähnlichem Mindset, gleicher Motivation und ebenso grosser Hingabe Teil unseres Teams werden. Die Zusammenarbeit mit Blockierern und faulen Menschen ist nicht einfach nur schwierig, sie ist mühsam und kann ein ganzes Gericht zerstören. Auch hier gilt, nicht ich alleine und schon gar nicht eine von mir delegierte Person verantwortet diese Aufgabe, sondern das Team. Also wählen wir gemeinsam als Team aus und lassen uns Zeit für das gegenseitige Kennenlernen. Dazu gehört auch, dass die Probezeit eine echte Probezeit und nicht bloss ein mühseliges Vertragselement ist.

4. Kommunikation ist Führung

Vielfach sind Führungspersonen deshalb Führungspersonen, weil sie Informationen zurückhalten. Es galt schon in der Antike:

"Wissen ist Macht."

Daraus haben sich über die Jahrhunderte Führungssysteme entwickelt, die zu einem gewissen Teil auch darauf beruhen, dass ich als Führungsperson Informationen und Wissen zurückhalte und nicht teile. Ob aus Angst oder Kalkül, es schadet schlussendlich der Organisation.

Als Projektleiter lernt man, dass Projekte leiten 90% Kommunikation ist. Stakeholder Management nennt man einen Teil der Aufgaben, der diese Kommunikation bedingt. Kommunikation benötigt Zeit und geeignete Gefässe. Schlussendlich geht es darum, dass Informationen geteilt werden. Auch hier hilft ein offenes System mit Transparenz über alle Informationen und Prozesse einer gemeinsamen Ausrichtung und schlussendlich einer Veränderung hinzu einer effizienteren Organisation.

5. Mit dem Herz denken und dem Verstand lieben

Claudio Zenerino hat im LEGO Serious Play Facilitator Training über dot gesagt:

"Think with your heart, love with your brain."

Heute ist es leider oft anders. Gerade in kritischen Situationen wird oft der Fehler gemacht, dass rationale Entscheide gefällt werden, wenn das Herz oder in manchen Fällen auch der Bauch, die richtigen Entscheidungen längst gewusst und gemeldet hätte. Vor kurzem hatten wir bei uns ein wunderschönes Beispiel, wie wir diese Form der Führung leben.

Einer unserer Kollegen hatte sich bei seinem Kundenmandat richtig gut eingearbeitet. Vor ihm waren bereits drei externe Berater an der Aufgabe gescheitert. Er selbst konnte nicht ein Palmares von 100 erfolgreichen Coachings vorweisen, aber ein Herz. Mit diesem Herz und seinem Verstand hat er in kurzer Zeit das schier Unmögliche erreicht und zusammen mit dem Kunden einen Turn-around geschafft. Durch seinen Einsatz kam seine Familie etwas zu kurz und weil er noch nicht so lange bei uns war, fühlte er den Spagat zwischen privatem Leben und der Arbeit. David hat genau das getan, was Claudio am LSP Training gesagt hat. Anstatt gross in eine Analyse zu gehen, spürte er, dass wir als System einen Teil des Drucks ausmachen. Folglich hat er die Probezeit als bestanden definiert. Think with your heart at it’s best.

6. Gemeinsam statt einsam

"Führen macht einsam."

So hat es mal geheissen. Klar, wenn ich mich in meinem grossen persönlichen Büro einschliesse und mittels Informationen zurückhalten und einsam Visionen ausdenken vor meinem Team verstecke, macht mich das einsam. Wenn ich die Last aller strategischen Überlegungen nicht teile, macht mich das einsam. Wenn ich mich durch die roten Zahlen und schlechten Prognosen in einen Strudel von Selbstzweifel und Selbstkritik führen lasse, ja, dann werde ich einsam. Nicht nur einsam, ich riskiere ein Burnout-Kandidat zu werden.

Das muss nicht sei. Niemand verlangt von einer Führungsperson, dass alle Entscheide, alle Sorgen und alle Ängste - ja, Führungspersonen sind auch nur Menschen und haben folglich auch Ängste – alleine getragen werden müssen. Auch hier gibt es ein simples Rezept. Mache Informationen und deine Gedanken transparent. Mache aus deinen persönlichen Entscheiden, Team-Entscheide. Befähige dein Team, damit es dich befähigen kann. Denn führen heisst auch, sich führen lassen.

7. Selbstführung führt zu Führung

Wer sich selbst nicht führen kann, muss nicht erwarten, dass jemand seine Führung akzeptiert. Auch wenn wir das vielleicht nicht wahrhaben wollen. Ein Teil von Führung hat auch mit dem psychologisch begründeten Fakt von Hierarchie und Struktur zu tun. Das über Jahrhunderte antrainierte System von Alpha-Tierchen innerhalb eines sozialen Systems lässt sich nicht einfach so überwinden. Eine Folge davon ist, dass wir uns bei der Überlegung, ob wir uns führen lassen wollen, immer auch unbewusst fragen, führt sich diese Führungsperson auch selbst.

Da ich als Führungsperson auch Vorbild bin, muss ich mich zwingend selbst führen können. Fokus und Disziplin sind nur zwei der Punkte, die dabei relevant sind. Mehr dazu im Blog von Oliver oder in der Blog-Serie Selbstmanagement.

8. Selbstreflexion ist gut, reicht aber nicht für echte Führung

Aktuell gibt es einen grossen Hype um das Thema Selbstreflexion. Auch ich habe dazu schon meinen Beitrag geleistet. Bin also nicht gefeit vor Kritik. Dennoch möchte ich den Punkt als extrem relevant für Führungspersonen definieren. Selbstreflexion ist ein zentraler Bestandteil von Selbstführung und damit Selbstmanagement.

Aber! Wenn ich mich der Arroganz hingebe zu meinen, dass meine persönliche Selbstreflexion ausreichend sei, um mich konstant weiter zu entwickeln, dann habe ich ein Problem. Jeder von uns ist mit mindestens einem blinden Fleck unterwegs, und jede noch so gute Selbstreflexion ignoriert genau diesen blinden Fleck. Das erzeugt Auswüchse, in denen Führungspersonen absurde Entscheide damit begründen, dass sie diese in intensiver Selbstreflexion erarbeitet haben. Wir brauchen die Reflexion von aussen. Und nicht jene, die wir uns selbst aussuchen, indem wir uns einen guten Freund suchen und ihn darum bitten, eigene Sichten zu bestätigen und zu stärken. Am besten lassen wir uns von unseren schärfsten Kritikern oder einem Team reflektieren.

9. Vorleben statt vorgeben

Führung ist eigentlich so wie gute Kindererziehung. Es geht nichts über das Vorleben von Werten und das Vorleben der eigenen Art zu arbeiten. Ich kann von meinen Kids nicht verlangen, die Hände vor jedem Essen zu waschen, wenn ich das nicht selbst auch so mache. Wir sind in einer Welt, wo uns unsere Kollegen sofort durchschauen und direkt hinterfragen. Ob Zeiterfassung, Umgang mit Spesen oder Lohn, ob Pünktlichkeit, Selbstkritik, Liefertreue oder Qualität. Als Führungsperson bin ich in allen Belangen der Massstab dessen, was ich fordern kann.

Auch hier hilft vollständige Transparenz ungemein für ein gemeinsames Verständnis von Werten. Wenn alle den gleichen Lohn haben, muss ich nicht über Lohnungleichheit reden oder gar verhindern wollen, dass das Team über den Lohn diskutiert. Wenn alle volle Transparenz über die Spesen haben, muss ich nicht einzelne Teammember rügen, die im besten Wissen und Gewissen «meine Werte» missachtet haben. Ich bin es, der Politik in ein System bringt und/oder fördert. Ich bin es, der Machtstreben in einem System duldet und erlaubt und somit fördert. Es mag bei gewissen Alpha-Tierchen noch nicht angekommen sein, aber verspätet zu einem Meeting zu kommen, zeugt nicht von Wichtigkeit oder Einfluss, sondern von respektlosem Verhalten. Und sich alleine darauf zu berufen, dass man eine Führungsperson ist und deshalb später kommen kann, ist ein Armutszeugnis hinsichtlich Selbstreflexion, Selbstmanagement und Menschlichkeit.

10. Emotionale Intelligenz macht dich nicht zum Psychologen

Seit ein paar Jahren wird erkannt, dass man als Führungsperson mehr auf die Mitarbeiter eingehen soll. In vielen Führungsseminaren wird diesem Aspekt grosses Gewicht gegeben. Das dabei die Diskussion schnell auf den Aspekt "Emotionale Intelligenz" schwenkt, ist nicht verwunderlich. Kurz: Was ist emotionale Intelligenz? Emotionale Intelligenz ist unser Wahrnehmungs- und Alarm-System, das wir seit unserer Geburt entwickelt und geschärft haben. Die sozialen Kontakte vom Säuglingsalter an haben dieses System geprägt, wir haben beobachtet und gelernt. Es gibt also Menschen, die ein System haben, das seit 30, 40 oder 50 Jahren geschärft wurde. Es gibt Menschen, die sind in einem komplexen sozialen System mit vielen positiven und negativen Einflüssen gross geworden, während andere beinahe ohne soziale Kontakte, isoliert ihre emotionale Intelligenz entwickelt haben. Es birgt sich also eine gewisse Komplexität hinter diesem Begriff.

Emotionale Intelligenz ist folglich nicht etwas, das ich in einer kurzen Schulung von wenigen Wochen lernen kann. Ich kann 30 Jahre asoziales Verhalten, resp. nicht fühlen von anderen Menschen nicht in wenigen Wochen wett machen. Und schon gar nicht kann ich innert dieser kurzen Zeit zum Psychologen mutieren und vom Lernenden zum Lehrer werden. Sei also demütig, wenn du dir anmassen möchtest, andere Menschen zu führen. Denke nicht, dass du besser bist, denn das ist dein erster Schritt, schlecht zu werden.

11. Arbeite am System und nicht im System

Die einfachste Form der Führung ist das Konzept:

"Einer ist schuld."

Noch besser gefällt mir, wenn Führungspersonen pauschal feststellen, dass X Prozent eines Teams schlecht sind. Übertroffen wird das nur, wenn ich als Führungsperson diese Behauptung ausspreche, noch bevor ich 100% des Teams kenne. Wie im Blog zum Thema Agile Leadership schrieb, habe ich als Führungsperson eine Verantwortung gegenüber dem System und nicht bloss gegenüber dem Einzelnen.

Edward Deming hat gesagt

"People are already doing their best; the problems are with the system."

Und genau für dieses System tragen wir eine Verantwortung. Wenn jemand im System über eine längere Zeit nicht optimal funktioniert, müssen wir dafür sorgen, dass die relevanten Einflussfaktoren analysiert und gegebenenfalls optimiert werden. Denn wer garantiert uns, dass ein anderer Mitarbeiter im gleichen System nicht die gleichen Effekte erfährt und wir somit nur länger brauchen, um einen Systemfehler zu entdecken? Am System zu arbeiten, ist folglich ein logischer, ein zwingender Schritt.

12. Teambuilding ist Führung

Wir haben nun also mehrmals gemerkt, dass wir zum einen Transparenz und zum anderen unser Team brauchen, damit Führung gemeinsam erlebt und gelebt werden kann. Eine logische Schlussfolgerung ist, dass wir als Führungsperson eine zentrale Aufgabe haben. Teambuilding. Wir müssen die richtigen Menschen zusammenbringen, motivieren, befähigen und begeistern.

Denn eines ist sicher: Eine Gruppe von Menschen wird immer intelligenter sein als ein Steinzeit-Alpha-Tierchen. Wir müssen also diese Teams formen, begleiten und schlussendlich darin aufgehen, ein Teil des Teams werden und uns nicht hervortun als «Führer». Das Steinzeit-Alpha-Tierchen braucht es nicht mehr.

13. Stärke die Mitte und nicht Extreme

Wir reden immer wieder von Fundament, von Leadern und damit ein stückweit von der Abhängigkeit von Einzelnen. Wir investieren in die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften resp. fördern jene, die mit ihren Leistungen etwas zurückfallen. Allzu oft wird dabei vergessen, von wo die Stabilität in einem sozialen System kommt. Diese kommt weder von einem patriarchalischen Einzelkämpfer, noch von einzelnen Blockern. Die Stabilität kommt von dem soliden Fundament an Team-Mitgliedern, die täglich powern und mit Herz und Verstand ihr Bestes geben.

Als moderne Führungsperson muss ich folglich hier den Fokus legen. Wertschätzung zeigen, Engagement anerkennen, Menschen befähigen und Führung in dieses Fundament delegieren. Je stabiler mein Fundament wird, desto weniger braucht es mich als Führungsperson. Ich kann mich lösen von alten Vorstellungen und mich in einem Team integrieren, dass gemeinsam Grossartiges erreichen kann. Indem ich die Mitte stärke, stärke ich die Organisation.

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