dot.research - Efficient Organisations als Nachfolger von Agile

David Berger
12. Februar 2019

Die agilist.cooperative veranstaltet einmal monatlich ein Meetup für die agilist.community. In einem Meetup wurde die Frage thematisiert, was auf Agile folgen könnte. Eine berechtigte Frage, die ich gerne in diesem Blogbeitrag beantworten möchte. 

Was ist Agile?

Agile ist derzeit eine Bewusstsein- und eine Werkzeugsammlung, um komplexe Herausforderungen gemäss Cynefin-Framework zu meistern. Hier haben sich agile Modelle wie beispielsweise Scrum bewährt und vor allem in der Softwareentwicklung durchgesetzt, siehe auch Swiss Agile Study 2016

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Für die NZZ ist Agile nichts Neues, sondern bloss ein White-Labelling bereits existierender Managementtechniken. Nicole Rütti erinnert an ältere Enthierarchisierungs-Konzepte wie beispielsweise das von Mary Parker Follett

Somit verdichtet sich der Vorwurf, Agile sei bloss ein momentaner Trend. Und falls ja, was folge denn auf Agile? Solchen Diskussionen begegne ich auch abseits der agilist.community und das beschäftigt offenbar die Menschen in der Szene. 

In Szenarien denken

Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich zum Gedankenexperiment einladen. Wir versuchen, die Welt in zwei Szenarien zu denken. Was könnte in nächster Zukunft eintreten? Was ist wahrscheinlicher? Davon können wir ableiten, ob wir weiterhin agile Werkzeuge und agile Haltungen benötigen. 

Szenario 1: Die Welt wird planbarer

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Die Welt wird planbarer, vorausschaubarer, berechenbarer. Das basiert auf folgenden Entwicklungen:

  • Künstliche Intelligenz
    Die bereits vorhandenen Informationen können mit Algorithmen analysiert werden. Zudem können weitere Informationsquellen integriert werden. Eine künstliche Intelligenz kann Informationen verdichten, kann kombinieren und damit das Verhalten der Systeme vorwegnehmen. Die künstliche Intelligenz entschlüsselt die Spieltheorie. Dadurch können Ereignisse im Sinne von Minority Report vorweggenommen werden. 
  • "Physik" der sozialen Systeme
    Der Mensch führt derzeit automatisch zu Komplexität, weil das menschliche Verhalten nicht dekodiert und berechenbar ist. Doch in Zukunft können wir eine "Weltformel" oder eine "Physik" der sozialen Systeme konstruieren. Modelle wie Spiral Dynamics Integral (SDI) werden optimiert. Der Mensch kann vermessen und somit determiniert werden. Der Mensch ist kein Faktor der Komplexität mehr, sondern ein Divisor der Komplexität. 
  • Weltpolitische Stabilität
    Die derzeitige Phase des Niederganges der USA und der Aufstieg Chinas wird sich beruhigen dahingehend, dass die beiden Supermächte erneut Blöcke und somit einen "Duopol" der politisch-ideologischen Systeme etablieren. Das stabilisiert die Weltpolitik und somit die Wirtschaft. Es entsteht erneut eine Art Gleichgewicht des Schreckens, die alle Akteure kalkulierbar macht. Alle Nationen und Ideen können eindeutig als amerikanisch oder chinesisch zugewiesen werden. Die gegenwärtige Identitätskrise ist damit aufgehoben, denn die Menschen identifizieren sich entweder als Bürger der USA oder Chinas (im Sinne Ich bin ein römischer Bürger).

Die heutigen agilen Werkzeuge und das ebenso wichtige agile Bewusstsein haben in einer planbaren Welt ihre Bedeutung verloren. Wir sind nicht mehr auf kurze Feedbackzyklen angewiesen. Die Anforderungen können automatisch erhoben und in Software generiert werden. Die Lösung ist vorgegeben. Was folgt also nach Agile? Wieder zurück zum Wasserfall? 

Szenario 1 ist gar nicht so abwegig, der Pop-Star der Historiker Yuval Noah Harari schreibt zum Beispiel in seinen 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert:

Die Revolutionen in Biotechnologie und Informationstechnologie werden uns die Kontrolle über die Welt in uns verschaffen und uns in die Lage versetzen, Leben zu manipulieren und herzustellen. Wir werden lernen, wie man Gehirne entwirft, Leben verlängert und Gedanken nach Belieben loswird.

Szenario 2: Die Welt wird chaotischer

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Die Welt wird chaotischer. Das kann aufgrund folgender Entwicklungen festgestellt werden:

  • Beschleunigung Ursache-Wirkung
    Der massive Einsatz von künstlicher Intelligenz und eine Informationsüberflutung überlasten unsere Feedbacksysteme. Die Roboter können nicht mehr innert Millisekunden reagieren. Die Algorithmen kollabieren. Es ist nicht mehr konstatierbar, was wann Ursache und was wann Wirkung war. Wir verlieren jede Kausalität unseres Handelns. Dadurch können wir nichts mehr mit Bestimmtheit wissen. Der gleichzeitige Einsatz von künstlicher Intelligenz verzerrt und verfälscht unsere Wahrnehmung. Wir sind zu keinem Feedback mehr fähig. 
  • Veränderte Menschen
    Der medizinische Fortschritt ermöglicht die künstliche Veränderung des Menschen. Akzeptierte "Drogen" verändern Haltung und Verhalten des Menschen. Wer heute beispielsweise im SDI-System "grün" war, kann morgen mit einem Knopfdruck auf "gelb" wechseln. Der Mensch wird somit unberechenbar. Die Folgen der gezielten Manipulation der menschlichen Natur kann nicht abgeschätzt oder eingestuft werden. Der Mensch ist beliebig, beliebig nach Lust und Laune. Alle bisherigen "Physiken", um den Menschen zu begreifen, werden ungültig. 
  • Weltpolitische Instabilität
    Es festigt sich kein Duopol zwischen den USA und China. Stattdessen herrschen Falken, die sich gegenseitig provozieren. Der Welthandel bricht zusammen. Die Bevölkerung ist verunsichert. Die Bündnisse schwanken. Die Grossmächte riskieren Angriffskriege auf strategisch wichtige Anrainer wie beispielsweise Sir Lanka oder Singapur. Die übrigen Nationen schotten sich ab, suchen Schutz unter dem Schirm einer Grossmacht. Die supranationalen Institutionen wie UNO und EU werden aufgelöst. Unsicherheit, Misstrauen und Angst dominieren das Lebensgefühl der Menschheit. 

In dieser Welt kann man keine Erfahrung mehr vergegenwärtigen. Der bekannte Empirismus verfällt. Wie verhalten sich in so einer Welt unsere bewährten agilen Praktiken und unsere mentalen Einstellungen? Ist Scrum das angemessene Framework? Was folgt nach Agile?

Agile als permanenter Zustand

Wie man "Agile" betitelt, ist unbedeutend. Die Essenz in Agile ist Leben. Leben bedeutet Anpassung. Agile bedeutet permanente Anpassung. Das, was wir heute als Agile bezeichnen, hat nicht das Agile Manifest 2001 "erfunden", sondern bloss manifestiert und als Marke konzentriert. 

Unabhängig also, ob Szenario 1 oder Szenario 2 eintreten mögen, unsere Arbeitstechniken und unsere Haltung der Arbeit gegenüber werden sich notgedrungen anpassen müssen. Ob man das in zwanzig Jahren noch als Agile beschreibt, ist unerheblich. 

Efficient Organisations als Antwort

Efficient Organisations ist unser Produkt, das die Haltung der permanenten Anpassung im Menschen, in den Teams und schliesslich in der Organisation verankert. Ob wir das als Agile oder nicht vermarkten, ist nebensächlich. Daher definieren wir den Begriff Efficient Organisations und ersetzen damit das aktuelle Modewort Agile. 

Wir sind überzeugt, dass nicht Methoden und Werkzeuge uns für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in der Arbeitswelt rüsten, sondern eine aufgeschlossene, veränderungsbejahende und "agile" Haltung der Menschen, der Teams und der Organisationen. Daher wollen wir am Menschen, an den Teams und an den Organisationen arbeiten. Für den Arbeitsmarkt Schweiz. 

BTW: Wir werden bald unser Modell und unser Verständnis von Efficient Organisations hier publizieren, das ebendiese Herausforderung adressiert. 

Mehr über Efficient Organisations

Apropos: Was ist mit den Szenarien?

Die beiden Szenarien existieren. Ich persönlich verorte uns in einer "chaotischen" Phase, die noch ungefähr zehn Jahren andauern wird. Aber danach werden wir einen sehr "planbaren" Abschnitt geniessen können, der dann irgendwann wieder von einem "chaotischen" abgelöst wird. 

Und was meinst du? Was wird wahrscheinlicher? Diskutiere mit uns in den Kommentaren. 

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